Ein Haus in alter Zeit

Bei einem Hausbau ging es nie ohne Eigenleistung und Hilfe der Nachbarn zu. Die Hauptperson war der Zimmermann. Dieser stellte das Balkengerüst des neuen Hauses zusammen. War diese Arbeit getan, so wurde echter speckiger Lehm in Menge aus der Umgebung angefahren und unter Beimischung von Wasser und Stroh mit den nackten Füßen von der Dorfjugend geschmeidig durchgeknetet. Währenddem flochten die Nachbarn die sogenannten „Sprötteln“ (Holzflechtwerk)ein, dann hieß es mit vereinten Kräften: „Lehm drop“! Die Sprötteln wurden von innen und außen mit Lehm beworfen, die Wände geglättet und nach dem trocknen von innen und außen gekälkt. Der Dachstuhl wurde mit Rohr oder Stroh gedeckt und in späterer Zeit mit „Mönch- und Nonne“ oder „Biberschwanz“, Tonziegeln gedeckt. Das Fachwerk ruhte auf dem blanken Boden, dicken Steinen oder auf einem niedrigen Mauerwerk. Der Fußboden bestand in den unteren Räumen aus festgestampftem Lehm, auch wohl aus Kiesel- (Kaien) oder Feldbrandsteinen. In den oberen Räumen aus derben, für die Ewigkeit bestimmten Eichenbohlen, die im Laufe der Zeit eine Dunkle bis schwarze Farbe annahmen. Fenster, wenn es diese überhaupt gab, waren klein und konnten meistens nicht geöffnet werden. Viel geschrubbt und geputzt wurde damals nicht. Die Wohnstube wurde mit einem selbstgemachten Heidebesen dann und wann ausgekehrt, samstags frischer, weißer liedbergischer Sand darin gestreut und an der Haustüre ein Strohwisch zum Abputzen der Stiefel und Holzschuhe hingelegt. Türen in Haus, Hof oder Garten standen im Sommer eigentlich immer offen und die Hühner machten sich im ganzen Hause breit. Darum waren die Türen zweigeteilt (Klöntür)und konnten unter verschlossen bleiben um das andere Vieh außen zu halten. Die Beleuchtung bestand aus Öl- oder Talglichtern die unsäglich qualmten und stanken. Die Aborte waren außerhalb des Hauses einfache gemauerte Gruben die mit einem Bretterhäuschen versehen waren und manchmal nur aus einem Sitzbrett bestanden. Fäkalien und Zersetzungsstoffe konnten ungehindert in den Boden einsickern. Der private Brunnen für Mensch und Tier, lag fasst immer in unmittelbarer Nähe. Badezimmer waren vollkommen unbekannt. Sitte war es am Samstag den Körper zu waschen und die Wäsche zu wechseln. Geruchsempfindlich waren die Menschen früher nicht. Die sogenannten „Reichen oder Feinen“ rochen genauso, konnten das aber mit Puder, Parfüms und andere duftenden Hilfsmittel überdecken. Daher die Begriffe „Stinkreich oder Stinkfein“. Dafür gab es keinen Lärm, Motoren, Radio, Fernsehen gab es nicht. Wenn eine Pferdekarre, laute Stimmen, vielleicht auch mal ein Musikant zu hören war, stand alles vor den Häusern oder hinter der Klön Tür. Es waren ja die einzigen Neuigkeiten die man eventuell mitbekam. Schriftliches war außer dem Gebetbuch nicht vorhanden. Das gemeine Volk konnte ja sowieso nicht lesen. Am Samstag wurde auch der Bereich vor dem Hause gesäubert und mit einem Rechen ein Muster in die Erde gekratzt. Es sollte ja am Sonntag vor dem Kirchgang jeder, vor allem die Nachbarn, sehen: „Hier wohnt eine saubere Hausfrau“. Die Nachbarschaften waren sehr wichtig, sie hatten, und übernahmen sehr viele Aufgaben für und in der Gemeinschaft.

Sinngemäß aus der „Anrather und Neersener Zeitung“ 1937 und dem HB des Kreises Viersen 2010 übernommen